Es werde Licht
Bericht der Zeitzeugen Willy Hacky und Willi Schleicher
Quelle: Festschrift der St. Anna Schützen 2007, Autor Willy Hacky
Nach dem Kriegsgeschehen fanden die im Frühjahr 1945 aus der Evakuierung heimkehrenden Einwohner nicht nur beschädigte oder ganz zerstörte Häuser vor, nein auch die ganze Infrastruktur war zerstört oder nicht benutzbar. In unserer Heimat lag alles danieder: Wasserversorgung; Elektrifizierung und das Telefonnetz waren zerstört.
Wer uns, Willi Schleicher und mich, im Sommer 1945 dazu animiert hat, eine 380 V – Leitung von Kufferath nach Berzbuir zu verlegen ist nicht mehr bekannt, möglicherweise war es Johann Kevelaer, unser Bäcker, der zum Betrieb seiner Brotteigmischmaschine eine Elektrizitätsversorgung benötigte, ansonsten war er ja auf Muskelkraft angewiesen. Die Bäckerei Kevelaer befand sich im Ortsteil auf dem Pütz. Das eigentliche Backhaus ist später um- und angebaut worden und steht heute noch.
Um die nachfolgende Schilderung verständlicher zu machen, sollten einige unserer persönlichen Daten aus dieser Zeit auch bekannt sein: Wir, d.h. meine Familie, waren schon verhältnismäßig frühzeitig 1945 aus der Evakuierung zurück. Willi Schleicher ist so etwa zu Pfingsten aus Velbert bei Essen zurückgekommen. Sommer 1945: wie sollten wir es anstellen die Bäckerei mit Elektrizität zu versorgen? Zwei siebzehnjährige Burschen die noch keinen Beruf erlernt hatten und auch nur wenig Ahnung von Elektrizität haben konnten . Wegen der Kriegsereignisse hatten wir beide nur ca. ein Jahr Lehre absolvieren können.
Wie schon gesagt, war ganze Strom- und Telefonversorgung war in unserer Heimat durch die langandauernden Kämpfe vom Herbst 1944 bis zu Frühjahr 1945 zerstört. Die Freileitungen lagen zerfetzt am Boden, die Holzmasten waren zum Teil nicht mehr vorhanden. Von keiner Stelle, soweit es eine Verwaltung oder Versorgung damals überhaupt schon gab, war eine Hilfe zu erwarten. Allerdings hatte man bei der Chemischen Fabrik Hoesch in Lendersdorf-Krauthausen einen Generator in Betrieb nehmen können. Ob dieser mit Wasser- oder Dampfkraft angetrieben wurde ist nicht bekannt. Um wenigstens die Wasserversorgung für die Orte des damaligen Amtsbezirkes Birgel wieder in Betrieb nehmen zu können benötigte die Pumpstation in Kuffrath Strom.
Das Trinkwasser für das genannte Gebiet kam aus den Brunnen an den „Drei Pützen“ im Walde bei Gey und aus den Brunnen in Kufferath. Die Wasserversorgung mit einwandfreiem Trinkwasser war zu dieser Zeit dass wichtigste, denn allenthalben waren ja Krankheiten wie Typhus und Ruhr verbreitet. Als erste Versorgungsleitung für die Pumpstation wurde daher eine 5KV Freileitung zur Trafostation nach Kufferath verlegt. Die Station stand da, wo heute der Weg vom der Straße „Am Bleiberg“ nach Welk abgeht. Dort standen dann also 220 bzw. 380 Volt zur Verfügung. Aber wenn ich heute von Spannungen spreche so klingt das, als wäre uns dieses auch schon 1945 ein Begriff gewesen. Dem war aber nicht so. Wir hatten auch kaum Ahnung von Leitungswiederstand oder erforderlichem Leitungsquerschnitt. Und woher das Kabel nehmen ?
Die US-Armee war da unfreiwillig behilflich. Sie war in der Materialversorgung, man kann schon sagen, überversorgt. Das betrifft auch die Materialien für die Telefonverbindungen zu. Sogenanntes Ami-Kabel gab es massig. Aber nicht unbedingt das von uns gewünschte vieradrige Kupferkabel mit einer Metalldrahtumwicklung, zum mindestens nicht in der benötigten Menge und Länge. Also mussten wir welches von außerhalb besorgen. Das geschah mit Hilfe eines Handwagens. Abgebaut haben wir u.A. Kabel am sogenannten Rennweg der zwischen Großhau und der Straße Gürzenich -Schevenhütte verläuft.
Wir haben die Verbindung von Kufferath nach Berzbuir als Freileitung über die teilweise noch vorhandenen Telefonmasten gebaut und die Kabelstücke immer wieder miteinander verbunden. Die Telefonleitung ging seitlich der Straße die über die über die Gemarkung „Fußhöller“ von Berzbuir kommend in gerader Richtung nach Kufferath führte. Die heutige Straßenführung ist erst in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts im Rahmen einer Flurbereinigung gebaut worden. Das amerikanische Gummikabel war 4-adrig, flexible Kupferadern, ca. 4-mal 0,75 mm/Quadrat, also insgesamt ca. 3 mm/Quadrat. Daneben wurde auch flexible zweiadrige Leitung aus Stahl- und Kupfer verwendet mit noch weniger Querschnitt.
Dieses Bild, aufgenommen am 25.02.1945, zeigt den Ortseingang von Kufferath. Im Vordergrund rechts einer der Telefonmasten, die wir zur Leitungsführung benutzt haben. Links im Bild das Haus Daniel, damals, das erste Haus am Ortseingang Kufferath. Die Soldaten gehören zur 1. Infantiedivision der US-Army.
Leitungswiderstand oder Spannungsverlust wurden von uns vernachlässigt. Wenn man bedenkt mit welcher Unkenntnis und mit welchen primitiven Mitteln, wir hatten z.B. ja keine Kletterschuhe um die Masten zu besteigen, wir an die Sache herangegangen sind, muss man sich nur wundern, dass unser „Schwesterunternehmen“ das RWE, mit uns sozusagen zusammen gearbeitet hat. Denn das RWE in Person des Herrn Granderath aus Lendersdorf hat uns unsere Leitung am Trafohaus in Kufferath angeschlossen. Nach einer Unterbrechung von gut einem Dreivierteljahr erstrahlte in Berzbuir Mitte 1945 wieder die erste Glühlampe und es bewegte sich sogar eine Teigknetmaschine bei unserem Bäckermeister Johann Kevelaer.
Allerdings waren ja nur drei Haushalte mit Elektrizität versorgt: die Familien Hacky, Schleicher und Kevelaer. Das auch andere an dieser Errungenschaft teilhaben wollten, ist verständlich. So hatte einer unserer Nachbarn aus dem Oberdorf seinen Haushalt auch an unser Netz angeschlossen. Dadurch wurde unsere sowieso schon geringe Spannung soweit reduziert, dass der Motor bei unserem Bäckermeister nicht mehr betrieben werden konnte. Wir mussten also die Verbindung wieder kappen.
Im Laufe der nächsten Monate haben wir unsere Leitung, auch im Winter 1945/46, noch oft reparieren müssen. Unsere Versorgungseinrichtung hat aber Bestand bis Herbst 1946. Zu dieser Zeit ist wieder ein ordentliches Ortsnetz durch die Fa. Dammers aus Arnoldweiler in Berzbuir errichtet worden. Bis dahin mussten die nicht privilegierten Berzbuirer sich mit Kerzen oder. anderen Beleuchtungsmitteln behelfen. Willi Schleicher war bei der Errichtung dieses neuen Ortsnetzes als „Fachmann“ mit dabei und hat mich, der ich zu dieser Zeit wieder in meinem früheren Betrieb, der Fa. Gebr. Kaiser in Kreuzau beim Schutt räumen tätig war, prompt angeworben um wieder in die Stromversorgung einzusteigen.
Nachdem ich nun dabei war musste Willi kurz danach seine Tätigkeit bei Dammers einstellen, er wurde in der Landwirtschaft gebraucht, hat aber später beim Bau des Ortsnetzes in Gey wieder mit geholfen. Wie das mit der Bezahlung für unsere Stromversorgung an das RWE geklappt hat, ist nicht mehr bekannt. Ebenso kann ich mich nicht erinnern, für unsere Tätigkeit, etwa vom Bäcker, einen Obolus erhalten zu haben. Letztendlich war dies aber auch der Einstieg in mein späteres Berufsleben.